Kaputt in der Aprikose
ECHTE WIENER GEHEN NIE UNTER.
Karli Sackbauer alias Klaus Rott erzählt, wie seine Schwester Hanni zur „3/4- Emanze“ wurde und wie sich ihr Vater Mundl weigerte, bei ihrer Hochzeit dabei zu sein.
Kurz nach dem fünfzigsten Geburtstag vom Papa ist die Hanni mit ihrem Franzi, dem „Nudelaug“, nach Hamburg übersiedelt. Der hat nämlich dort eine Hacken aufg'rissen, als Lektor bei einem großen Verlag.
„Väterliche Traumata“. Nach zwei Jahren ist dann ein Brief gekommen, dass es aus ist. Die Hanni ist trotzdem in Hamburg geblieben. Sie hat Kurse gemacht - zweiter Bildungsweg und so - und ist dann in eine Wohngemeinschaft, in eine Frauen-WG eingezogen, und plötzlich hat sie sich eingebildet, dass sie in ihrer Kindheit nicht genug geliebt worden ist und dass sie die „väterlichen Traumata“ aufarbeiten muss. Hab ich gesagt: “Was, du träumst vom Papa?“ Hat sie mich aufgeklärt: „Ein Trauma hat mit einem Traum nichts zu tun, ein Trauma ist eine Verletzung!“ Ich hab erst recht wieder nur Bahnhof verstanden. Gut, der Papa hat mit uns oft geschrien, aber verletzt hat er uns doch nicht. Den Schwachsinn, den sie damals verzapft hat, den hab ich bis heute nicht verstanden. Der Papa wieder hat nicht verstanden, warum sie in Deutschland geblieben und nicht zurück nach Wien gekommen ist.
Eheschließung. Drei Jahre lang war bei der Hanni nur von Selbsterfahrung, Selbstfindung und so Emanzenzeug die Rede. Dann plötzlich nur mehr von einem Thorsten. Den hat sie dann auch geheiratet - einen Deutschen. Und der Papa, der sich schon aufgeregt hat, wie er geglaubt hat, dass sein Bruder mit einer Tirolerin was hat, der hat völlig durchgedreht. Er ist nicht zur Hochzeit gefahren. „Nicht bei allem, wo man nicht dabei ist, versäumt man auch was“, hat er gemeint. „Soll sie ihn heiraten, den Piefke, den Fetzenschädel“, hat er gesagt, „den Thorsten! Aber ins Haus kommt er mir nicht. Ausländer brauchen wir keine in der Familie“. Hab ich gesagt: „Papa, in ein paar Jahren sind wir in der EU, und dann ist er ohnehin nur mehr ein halber Ausländer“. Der Papa aber hat gemeint: „Ausländer bleibt Ausländer!“ Dann ist er über die EU her'zogen. Braucht er nicht, hat er gemeint, soll ich mir in die Haar schmieren, EU-Fahne braucht er auch nicht, Sterne sieht er genug, wenn er vollfett ist. Und überhaupt haben in der EU meistens die Deutschen das Sagen – und am Ende darf er dann nicht mehr sagen „mei Bua is' hin in da Marüün“, sondern muss sagen, „mein Sohn ist kaputt in der Aprikose !“ Aber blöd hat er geschaut, wie dann über 60 Prozent von den Österreichern für die EU gestimmt haben.
Übrigens: Die Ehe zwischen der Hanni und ihrem Thorsten hat keine drei Jahre gehalten. Der Papa war arg. „Hanni“, hat er gesagt, „zur Hochzeit bin ich nicht gekommen, aber wenn Du willst, komm ich zur Scheidung!“