Du narrischer Kastanienbaum!
ECHTE WIENER GEHEN NIE UNTER.
Karli Sackbauer alias Klaus Rott erzählt, wie sein Vater Mundl plötzlich sein Lieblingslied nicht mehr hören wollte und warum dessen Pesionierung mit starkem Alkoholkonsum einherging.
Der „Narrische Kastanienbaum“, das Lieblingslied vom Papa, handelt von einem Kastanienbaum, der im Wiener Stadtpark steht und der mitten im August zu blühen anfängt. Ich find ja, das Komische an dem Kastanienbaum ist, dass der im Stadtpark spinnt und nicht im Prater, wo es viel mehr Kastanienbäume gibt. Nämlich fast 4.000. Das weiß ich genau, denn beim Joggen in der Hauptallee hab ich mir immer so Fragen gestellt: Wie viele Kastanienbäume gibt es im Prater? Wie viele Flugzeuge sind zugleich in der Luft? Wie viele Menschen tun im selben Augenblick miteinander Liebe machen? Die Titschgerl-Frage hab ich dann einmal dem Papa gestellt und der hat gemeint, es sind eindeutig zu viel, die zu gleich ein Happerl machen, denn sonst täte ja die Weltbevölkerung nicht so enorm explodieren. Wegen den Flugzeugen hab ich dann einmal den Flughafen in Schwechat angerufen. Das Fräulein am Telefon, das hat mich ganz schön fertig gemacht. „Wie viel Flugzeuge zugleich in der Luft sind?.....hhhm... genau kann ich es Ihnen nicht sagen... aber ich würde sagen, jedes Jahr mehr.“ Auf das wäre ich nicht gekommen! Das Stadtgartenamt, die MA 42: Im Prater gibt es rund 3.976 Kastanienbäume. Das nenn ich eine Antwort. Wie gesagt: Trotzdem spinnt der Kastanienbaum im Stadtpark und nicht im Prater.
Pensionsschock Das Lied handelt also von dem narrischen Baum und einem alten Mann, der neidig auf den Kastanienbaum ist, weil der im Herbst voll im Saft steht, was der Senior von sich nicht behaupten kann. Kaum war der Papa in Pension, hast ihm mit dem Lied nicht mehr kommen dürfen. Bei ihm ist ja damals echt viel zusammengekommen. Zuerst stirbt sein Bruder, dann Frühpensionierung, weil man am Arbeitsmarkt nicht mehr vermittelbar ist. Ein Wahnsinn: Als Fünfzigjähriger bist du heute auf dem Arbeitsmarkt ein Restposten. Aber die Wissenschaftler und Biologen zerbrechen sich den Schädel, dass wir hundert Jahre alt werden sollen oder hundertzwanzig. Als Unvermittelbarer noch siebzig Jahre auf den Tod warten, da krieg ich eine Ganslhaut! Die Mama hat gemeint, beim Papa war das damals der klassische Pensionsschock. Immer zu Hause und nur mit Zeitunglesen und Schnapsen kommt man nicht leicht durch die Woche. Und beim Papa ist zum Schnapsen noch der Schnaps kommen. Er hat wieder angefangen zum Trinken.
Jeden Tag hat mich die Mama angerufen und sich ausgeweint, weil sie es nimmer ausgehalten hat mit ihm. Ich hab gesagt: „Papa, geh nach Kalksburg, das zahlt ohnehin die Kassa.“ „Nein, das kommt nicht in die Frage.“ Er hat sich nicht helfen lassen. Für die Mama war die Zeit damals die Hölle.